200 Tage

19März2018

你們好,

also eigentlich habe ich in der Überschrift ein bisschen gelogen. Ich bin heute seit genau 207 Tagen in Taiwan und werde in 93 Tagen wieder zurückfliegen (gerade ist bei mir Mittwoch). Das macht dann genau 300 Tage, die ich in Taiwan lebe. Zufälle gibt´s.

Aber jetzt zum eigentlichen Thema dieses Blogs, nämlich was ich hier überhaupt so den lieben, langen Tag mache. Schule ist so spannend wie immer, auch wenn es schon schlimmer war, denn inzwischen habe ich regelmäßiger Chinesischunterricht und muss meine Rede für nächsten Samstag vorbereiten. Da findet der schon lange gefürchtete Chinesisch Wettbewerb unseres Rotary Distriktes statt, bei dem man eine kleine Reise und ein bisschen Geld gewinnen kann. Dafür müssen wir alle vor über hundert Leuten auf eine Bühne und 4-5 Minuten frei auf Chinesisch sprechen. Klar, dass da keiner wirklich drauf Lust hat, vor allem, da viele Gastfamilien den Austauschschülern Druck machen, damit sie möglichst gut darstehen und auch wenn ich eine sehr entspannte Gastfamilie habe, möchte ich es jetzt schon am liebsten hinter mir haben. Ich habe einfach das Problem, dass ich sehr schnell spreche, wenn ich nervös bin und meine vorbereitete Rede schon bei normalem Sprechtempo gerade so 4 Minuten lang ist. Das ist tatsächlich eine Sache, die ich an Taiwan gar nicht mag. Egal was, wann und mit wem, aus allem wird ein Wettbewerb gemacht. Egal ob auf der Klassenfahrt, beim Tanzen für Rotary, Den Leistungen der verschiedenen Klassen oder jetzt unseren Sprachkenntnissen. Oft nicht einmal die Schüler selbst, sondern die Eltern wollen möglichst gut darstehen und fordern dementsprechend, dass man immer und überall sein Bestes gibt. Natürlich ist es an sich nichts Schlechtes, wenn man sich anstrengt, um sich selbst zu übertreffen, aber für mich, ein Mädchen, das in einem Land aufgewachsen ist, in dem die Wettbewerbe nach dem Motto: "Dabei sein ist alles" ablaufen, macht es mich doch ganz schön nervös, dass auf einmal mein gesamter Rotary Club Erwartungen in mich setzt, da die Autauschschüler meines Clubs letztes Jahr relativ gut abgeschnitten haben. EIne wildfremde Frau meinte auch vor ein paar Wochen, dass sie uns vieren aus Dounan noch einmal extra Geld gibt, wenn wir es unter die Top 5 schaffen.

Aber jetzt habe ich auch schon wieder zu lange über ein einzelnes Thema geredet. Die letzten beiden Wochen waren relativ unspektakulär. Am Wochenende mussten wir mit Rotary Cheerleaden üben (für einen Fußball und Cheerleader Wettbewerb zwischen ein paar Distrikten) auch wenn der Druck auf uns Cheerleadern nicht ganz so hoch ist, da unser Distrikt in den letzten vier Jahren jedesmal den letzten Platz für sich beansprucht hat. Seit ich unsere Choreografie kenne, wundere ich mich auch nicht mehr darüber. Unser Fußballteam wurde jedenfalls von den Brasilianern übernommen.

Einen Sonntag war superschönes Wetter, Sonnenschein und über 25 Grad,also bin ich mit meiner amerikanischen Freundin in den Chiayi Park gegangen und wir haben uns einfach nur ein bisschen entspannt, was auch mal wieder gutgetan hat. Außerdem haben wir uns 7/11 Socken gekauft. Jetzt gibts auch noch zwei Fotos vom Essen.

Bei montags draußen stehen und sich anschreien lassen der Schule, wurde letzte Woche ein neuer Rekord aufgestellt, wir standen 50min lang in der Sonne, während diverse Lehrer, Militärtypen und die Schulleiter ewig lange Reden gehalten haben.

Meine Gastschwester hat vor ein paar Jahren auch einen Austausch nach Japan gemacht und ihre alte Gastfamilie ist letzte Woche nach Taiwan gekommen. Mit ihnen zusammen, sind wir Sonntag zum Sonne-Mond-See gefahren, der größte See Taiwans, den ich auf einer Klassenfahrt letztes Jahr schon kurz aus dem Busfenster gesehen habe. Zwar waren wir erst in einem alten Töpferdorf, in dem große Schüsseln, Schalen und Teekannen noch per Hand getöpfert wurden, aber danach sind wir direkt runter zum See. Nach einem kleinen Mittagessen haben wir eine der vielen Fähren zum anderen Ufer genommen und dann in einer kleine Gondel aus Glas über die Berge. Zum Glück habe ich keine Höhenangst, aber ich fande es wirklich schade, dass es relativ nebelig war und die Aussicht und die Fotos deswegen nicht ganz so gut. Außerdem standen am Ufer riesige Betonklötze als Hotels und es waren wirklich eine Menge Fähren unterwegs. Trotzdem war die Farbe des Wassers einfach unglaublich, ein richtig kräftiges Türkis, das man hoffentlich auf den Bildern erkennen kann und mit den hohen, immergrünen Bergen im Hintergrund, war es den Ausflug definitiv wert.

Am 1. April, also in eineinhalb Wochen, wechsel ich in meine nächste und letzte Gastfamilie, auf die ich mich schon sehr freue, auch wenn meine jetzige genauso super ist. Meine 3. Gastfamilie wohnt einfach in einer größeren Stadt und deswegen ist es da deutlich einfacher Busse und Züge zu benutzen. Meine Gasteltern und meine Gastschwester, die im Sommer nach Amerika geht, kenne und mag ich schon seit Beginn meines Autauschjahres und deswegen bin ich überzeugt, dass das alles schon irgendwie wird. Auch wenn ich alles in allem eher Pech mit meiner Wohngegend und vor allem meiner Schule hatte, denke ich, dass die Rahmenbedingungen gar nicht so großen Einfluss darauf haben, ob man glücklich ist, oder nicht. Die Entscheidung, ob man glücklich sein will,  liegt in der eigenen Hand und ist oft eine Frage der Einstellung. Natürlich nicht immer. Manchmal ist das Leben einfach scheiße. Und trotzdem gibt es meiner Meinung nach eine ganze Menge Dinge für die wir dankbar und wegen denen wir uns glücklich schätzen können.

Bildergebnis für scheiße denk positiv schöne scheiße

In diesem Sinne wünsche ich euch zwei schöne Wochen, bis ich mich wieder melde, vielleicht bin ich ja da wieder ein bisschen deprimierter und pessimistischer und heule euch die Ohren voll:)

Liebe Grüße

Eure Elena